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Kinder brauchen
für ihre gesunde Entwicklung vielfältige
Möglichkeiten der Sinneserfahrung. Ein naturnah
gestaltetes Gelände mit Verstecken, Höhlen,
Hügeln, Bachlauf, Bäumen und Sträuchern bietet
dafür vielerlei Gelegenheiten. Auf solchen
Spielplätzen können Kinder ungestört spielen
und durch eigene Aktivitäten Erfahrungen
sammeln.
Doch an diesen Räumen besteht heute akuter
Mangel. Kinderspielplätze sind oft kahle, mit
Geräten möblierte Flächen, die zwar den
Erwachsenen einen guten Überblick und damit die
Kontrolle ermöglichen, doch freies kreatives
Spiel eher verhindern. Wie man in Zeiten knapper
Kassen naturnahen Spielraum kostengünstig
schaffen kann, zeigt dieses Buch.
Landschaftsplaner, Erzieherinnen und Eltern
planen und verwirklichen ihr Ziel gemeinsam in
selbstorganisierten kleinen Schritten. Naturnaher
Spielraum kann zugleich kindgerecht und
umweltfreundlich sein. Er ist bezahlbar und
nachhaltig.
Ein Praxisbuch für alle, die für
Kinderspielplätze Verantwortung tragen.
Elisabeth C. Gründler
Norbert Schäfer
Herausgeber : Beltz Verlag Weinheim Berlin Basel
ISBN-3-407-56059-1
Buch leider vergriffen.
Buchbesprechung:
von Prof. Klaus Miedzinski, Dipl. Motologe,
Uni Hannover Erlebnisräume für Kinder schaffen,
das ist ein zentrales Thema
"psychomotorischer
Entwicklungsförderung". Wie solche Räume
geplant, gebaut und gestaltet werden können und
welche Wirkung sie auf die Kinder als
"anregendes Milieu" ausüben, das wird
in diesem Buch von einer pädagogisch versierten
Journalistin und einem für Kinderwünsche
einfühlsamen Landschaftsarchitekten beschrieben.
Aussagekräftige Bilder der im "freien
Spiel" aktiven Kinder und Fotos von
einladenden naturnahen Erlebnisräumen
unterstreichen das.
Die letzten Jahren
sind zahlreiche Bücher über Bau und Planung von
Spielräumen erschienen, doch in keinem fand ich
(auf nur 96 Seiten) diese Fülle an wichtigen
Begleitthemen kurz, lebendig und instruktiv
beschrieben: fundierte Begründungen für die
Notwendigkeit des "freien Spiels",
dezidierte Beschreibungen der Kinderaktivitäten,
Ratschläge für die Entwicklung eines Arbeits-
und Planungsteams unter Elternbeteiligung,
Vorschläge zum Gestalten und Modellieren des
Geländes, Öffentlichkeitsarbeit, Hinweise zur
Finanzierung eines Projektes, was Kinder krank
macht... usf.
"Psychomotoriker"
wissen im besonderen um die Defizite in der
Entwicklung der Kinder durch mangelnde Anregungen
in Spiel und Bewegung. "Das
selbstorganisierte freie Spiel ist Grundlage für
die gesunde Entwicklung der Kinder... Die
Ressource freies Spiel, die jedes Kind zu seiner
Entwicklung braucht, ist knapp geworden wie Luft,
Wasser oder Erde. Heute dominieren Gefahrenzonen
den Nahraum der Kinder. Spielräume, in denen
Kinder Natur erfahren und ihre eigenen Spiele
frei erfinden können, müssen wir wieder bewusst
und gezielt schaffen". So wird "freies
Spiel" schon im Vorwort herausgehoben und
dazu folgen auf mehreren Seiten: Plastische
Beschreibungen von Spielszenen, theoretische
Grundlagen, die Bedeutung des freien Spiels der
Kinder unterstreichen in Spielräumen zum
Wohlfühlen.
"Das Milieu
für freies Spiel muss heute gezielt geschaffen
werden". Auch der Rezensent ist bemüht,
unter dem Thema Bewegungsbaustelle für Kinder
entsprechendes Milieu mit Hilfe auffordernder
Bauteile zu schaffen, die ihren Spiel- und
Bewegungsabsichten entgegenkommen. In vieler
Beziehung finden sich in diesem Buch Parallelen
zu den Ideen der Bewegungsbaustelle. Dazu u.a.
die folgende Spielszene:
"Zwei
Vierjährige schleppen ein Brett. Es ist schwer
und zu lang. Sie stolpern und schwitzen, mehrmals
fällt es zu Boden. Doch sie lassen nicht von
ihrem Vorhaben ab. Sie sind ganz und gar bei der
Sache. Immer wieder heben sie es auf und lassen
es nach wenigen Schritten wieder fallen.
Schließlich bitten sie einen Fünfjährigen,
ihnen zu helfen. Zu dritt bugsieren sie das Brett
ans Ziel. Sie lehnen es an die steile Seite eines
Erdhügels und lassen Steine und Erdklumpen
herunterrollen. Schließlich fangen sie an, auf
der Schräge den Hügel hinab zu balancieren und
sich anschließend wieder mühsam aufwärts zu
arbeiten. Ohne Brett wäre der Aufstieg sehr viel
einfacher zu bewältigen".
Anschließend
folgt die Schilderung eines Hüttenbaues unter
Anleitung einer Erzieherin: "Bringt mal
große Steine", " und jetzt die
Bretter". "Die Erzieherin strahlt,
sieben Kinder stehen drum herum.... Als die
Erzieherin weggeht - ihre Arbeit ist getan, sie
hat eine Gruppe beim Hüttenbau angeleitet -
zerstreuen sich die Kinder. Die Hütte
interessiert sie nicht mehr."
Dieser Vorgang
wird kommentiert unter der Überschrift:
"Anleiten" und "Beibringen"
verhindert selbstgesteuertes Spiel. "Alle
lebenden Systeme folgen den eigenen, inneren
Gesetzen. Sie funktionieren
"autopoietisch". Durch
"Anleiten" und "Beibringen"
werden die selbstgesteuerten Lernprozesse in der
Regel gestört oder verhindert."
Entwicklungsförderung wird hier auf dem
Hintergrund der Theorie des chilenischen
Wissenschaftlers Humberto MATURANA begründet (s.
Balgo: Systemisch-konstruktivistische Positionen
in der Psychomotorik, Motorik 1/1998).
Weiter folgen
unter dem Kapitel "Gestaltungselemente sind
vielfältig" Beispiele der Gestaltung mit
Erde, Wasser, Stein und Pflanzen. Dazu gibt es
ausführliche Hinweise zu Wasserbahnen und
Bachlandschaften, auch wie man Kindern das
Spielen mit dem Feuer ermöglicht.
Dieses Buch soll
"in Zeiten knapper Kassen" zeigen, wie
naturnaher Spielraum sich kostengünstig schaffen
lässt. Dazu wird ausführlich auf den
Planungsprozess eingegangen und die Bedeutung
eines guten Planers herausgestellt, "der
bereit ist, sich auf Ihr Anliegen einzulassen,
jemanden, der willens und fähig ist zuzuhören,
Erwachsenen wie Kindern." Unter der
Überschrift "Viele können vieles"
geht es um Einsatz und Nutzung der Ressourcen der
Eltern, bzw. der Einbeziehung weiterer
Fachkompetenz im Umfeld des Kindergartens, der
Entwicklung der Gruppendynamik im Team: "Oft
haben Laien die besten Ideen, weil ihr Denken und
ihre Wahrnehmung nicht durch Fachroutinen und
Fachbegriffe eingeengt ist. Dies alles
anzuerkennen und in den Prozess zu integrieren,
ist eine weitere Erfolgsbedingung."
Im Anhang machen
Dr. Gerd Glaeske und Ruth Rumke auf den
Gesundheitszustand von Kindern und Jugendlichen
aufmerksam: "Fehlende Freiräume machen
Kinder krank" lautet die Überschrift. Den
vielfältigen gesundheitlichen Belastungen werden
Schutzfaktoren gegenübergesetzt, mit diesen
Belastungen fertig zu werden: "Ziel der
Gesundheitsförderung ist die Bildung und
Stärkung von Bewältigungs- und
Kompensationsressourcen. Bewegung und Sport
bieten Kindern und Jugendlichen
Ressourcenpotentiale, die ihnen einen produktiven
Umgang mit Belastungssituationen
erleichtern."
"Ein
Praxisbuch für alle, die für Kinderspielplätze
Verantwortung tragen." Aber auch ein Buch,
das Argumente und Erklärungen Eltern gegenüber
liefert, die Bemühungen und Maßnahmen um die
gesunde Entwicklung der Kinder zu rechtfertigen.
Wer Kindern ein
aufforderndes Milieu für Spiel und Bewegung im
Sinne einer ganzheitlichen und alltäglichen
Entwicklungsförderung (Psychomotoriker,
Erzieherinnen, Eltern, Planer) bieten möchte,
dem kann ich dieses Buch vorbehaltlos empfehlen.
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